Anticon

Pedistrian ist eine der Hauptfiguren von Anticon. Er hat die ganze Geschichte seit Beginn mit angekurbelt. Seine bisherigen Tracks sind wohl bereits Klassiker. Egal ob sein Track auf der Ropeladder 12 Compilation von Mush oder sein cosmic lovefuck Auftritt auf der Hip-Hop Music For The Advanced Listener EP, ganz zu schweigen von seinen Gastrollen, wie z.B. auf Sole’s Bottle of Humans Album. Er ist ohne groß überlegen zu müssen einer meiner Fovoriten aus dem Lager. Da die veröffentlichung seines ersten Albums auf dem Plan steht und er bis dato wirklich mehr als nur hörenswerte Sachen abgeliefert hat, war es Grund genug ihn mal mit ein Fragen zu beschäftigen.

Was ist die angenehmste oder auch schlechteste Veränderung von jetzt zurück zu den Anfängen von Anticon? Wenn es da für dich eine gibt.

Das ist eine gute Frage! Manchmal scheint es als würden die Leute nicht versuchen Anticon als etwas zu sehen, das sich über die Jahre stark verändert hat und sich immer noch auf viele Weisen entwickelt. Eine Sache ist, daß die meisten von uns von jungen 19 oder 20jährigen zu soliden Mid-Zwanzigern geworden sind seit dem es Anticon gibt. Das ist eine Phase, die drastische Veränderungen für jede einzelne Person mit sich bringt. Wenn Du das nun mit der Menge von uns multiplizierst, dann kannst Du dir vorstellen wie sehr wir uns zusammen über die verhätnismäßig kurze Zeitspanne gewandelt haben. Ich persönlich fühle mich Welten von dem frühen Anticon Stuff entfernt, wie der Music for the Advancement of… LP. Nicht unbedingt von der Musik her, eher von der Haltung und dem Ansatz hinter der Sache. Speziell Sole und ich waren etwas bitter und hatten eine sarkastische Ader; du kannst es den bequemen Zynismus der Unentwickelten nennen. Einfach an dem ganzen Prozeß Kunst hinaus in die Welt zu tragen teilzunehmen hat meine Perspektive schnell und dankbar geändert. Am meisten machte es mich auf die Arbeit anderer Leute aufmerksam, in welcher Form auch immer, und das wichtig für mich. Schließlich, und als Antwort auf den zweiten Teil deiner Frage; gab es für mich schon früh ein Gefühl, daß Anticon einfach eine Erweiterung von dem war, was wir als am vielversprechensten hielten – von dem aktuellen Rap Zirkus; De La Soul, Freestyle Fellowship zum Beispiel – und daß welchen Erfolg wir auch immer damit haben werden Leute zu erreichen, es einfach ein starker Beitrag sein wird den Allgemeinbegriff von Rap zu erschließen. Stattdessen haben Rockkritiker und Typen in Messageboards Jahre damit verbracht zu streiten was wir nun sind, HipHop oder nicht. Und gelangweilte, wütende Rapper haben unzählbare Verse darin verschwendet uns zu dissen. Um ehrlich zu sein vermisse ich die frühen Illusionen, daß Anticon im Namen des Undergrounds heraus bricht, des unterschätzenden experimentellen Raps.

Dann denke ich, daß es da ein paar neue oder entwickelte Illusionen zu Anicon von dir gibt!?

Gott, das ist eine furchteinflößende Frage. Ich denke es ist schwierig die Dimensionen deiner Illusionen auszumachen bevor sie zerbröckelt sind. Also, vielleicht werde ich in 5 Jahren fähig sein die Art zu reflektieren wie für mich selbst die Sachen gerade aussehen.

Warum gibt es noch kein Pedestrian Album? Ich meine es sind schon ein paar Tage vergangen, seitdem Du mit Anticon angefangen hast. Erzähl uns ein paar Gründe!

Ich bin nicht wirklich sicher. Ich mache Musik schon immer ziemlich langsam, und seitdem ich Texte schreiben am meisten von Allem mag, tendiere ich dazu etwas Raum zwischen dem vervollständigen eines Songs und dem Beginnen eines anderen zu lassen. Außerdem bin ich noch eine Zeit lang zur Schule gegangen. Nächstes Jahr beende ich die UC Berkeley und ich habe immer gearbeitet. Zur Zeit am meisten in einem Plattenladen, und davor gab ich Privatunterricht in Englisch an einem Community Clollege. Grundlegend war ich aber auch nie wirklich von der Wichtigkeit überzeugt, daß jemand seine Musik auch herausbringen muß. Für mich als Musiker ist es sehr schwer zu begreifen, daß seine grundlegende Funktion darin liegt, ein “Produkt” zu schaffen, das dann irgendwie benannt, gepreßt, mit Barcode versehen und anschließend durch seinen eigenen kleinen Zweig der Industrie verschickt wird. Warum tut man das alles? Die Suche nach Geld? Die Befriedigung des Publikums? “Selbstdarstellung”, was auch immer das sein mag? Keine dieser Ideen spricht mich sehr an, und ich denke, daß ihre jeweiligen Gegensätze der Wahrheit näher kommen würden: eine verarmte Selbstdarstellung, aus der heraus eine bestimmte Art von Musik auftauchen könnte. Bei MCs gibt es etwas mit dem sie sich selbst auslöschen, das ihre Rollen als Rapper minimiert. Ich denke hierbei an Ras Kass und der eigentlichen Wahrheit von “Remain Anonymous”, woran ich ein ästhetisches Gefallen gefunden habe. Möglicherweise ist es meine bleibende Liebe für die verlorenen Helden der Underground Rap Tapes, mit denen ich gehandelt habe. Sie bezeichne ich immer noch als die Anspruchvollsten und Unverstelltesten von Allen!

Ja, ich habe auf der Anticon Seite gelesen, daß Du Mitte der 90er eine Art Mogul warst, wenn es um den Handel von Rap Tapes ging. Du hast über diesen Weg auch Sole kennen gelernt, richtig?

Ich hatte eine Kopie von Sole’s erstem Tape, Northern Exposure’s “Madd Skills and Unpaid Bills”, welches ein wirklich typisches Album für ’94 war, wie du auch am Titel sehen kannst. Sole machte es als er 15 oder 16 war, und da hatte er einen Song namens “Bustas” drauf, in dem er G-Funk und West Coast Rap kritisierte. Eine Zeile ging: “Peace to west coast rappers that don’t sound like Snoop or Dre.” Ich traf ihn zu dieser Zeit und da er da einzige Rapper war den ich kannte gab ich ihm das Zeug mit dem ich mich gerade beschäftigte. Ich glaube das erste Tape hatte Volume 10 auf der einen Seite und auf der andern F.F.’s “To Whom it May Concern”. Ich hab die Weiten des Underground Raps für alles abgeklappert, was damals überhaupt irgendwie interessant schien, und ich hätte ihn zwangsläufig – Moodswing und den Rest meiner damaligen Kumpels – mit NY Indie Stuff wie Natural Elements, Siah & Yeshua, Godfather Don, Sha-Key und den etwas experimentelleren Westcoast Kram wie Circus und Radioinactive, Project Blowed und die frühen Solesides Sachen in kontakt gebracht.

Was können wir von deinem Album erwarten und vorallem: Wann können wir es erwarten? Wird Matth alle Tracks produzieren?

Es soll gegen Ende diesen Jahres draußen sein, oder so. Auf Anticon. Matth, Jel und Why? Haben die ganze Musik gemacht. Es hat einen recht großen Abstand zu den Songs, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, die alle wie eine kleine, stechende Reue zeigen. Drei Tracks sind bereits fertig und ich bin sicher, daß ich es bald im Kasten habe.

Wie war die Arbeit mit DJ Krush? Ich denke ihr habt euch auch etwas geschmeichelt gefühlt mit ihm zu arbeiten.

Es hat uns zweifellos geschmeichelt mit Krush zu arbeiten. Die Mehrheit von uns hat sich seine Sachen angehört als wir noch jünger waren. Speziell “Meiso” und besonders alle Sachen auf dem Album mit Black Thought. Was die Arbeit mit Krush angeht frage ich mich ob das Publikum weiß, daß dies Art von Zusammenarbeit typischer Weise weniger eine Kollaboration als ein Kunst-Objekt ist; einzelne Stücke an Musik werden herumgereicht bis sie fertiggestellt scheinen, und werden dann als Songs herausgebracht. Ich denke es ist eine eigenartige Herangehensweise, aber dennoch tut sie jeder. Um zu demonstrieren was ich meine ist hier meine persönliche Erfahrung mit unserem Song mit DJ Krush: 1. Ich schrieb mit Dose den zweiten Vers, welcher über Bush, den nächsten “dollar model president” ging. 2. Zwei oder drei Monate später, in der Nacht bevor der Track weggeschickt werden sollte, schrieb ich 16 Zeilen auf der Arbeit und wollte sie mit Jel aufnehmen (jeder sonst hatte seinen Teil bereits getan). Nachdem es in fünf Minuten aufgenommen wurde und ich alles an dem Song hasste, inklusive der Tatsache, daß ich mich dazu drängte zu versuchen es aufzunehmen, habe ich meinen Vers weggeschmissen und es gelassen. Nachdem ich gegangen bin hat Jel meinen letzten Versuch genommen und es an den Anfang des Stücks gestellt. Das ist der Grund warum ich nur 4 Zeilen auf dem Song habe und die sind fast a cappella. 3. Der Song kam raus; eingeschweißt und trug das Wort “Sony”. Nun sind Anticon und DJ Krush und Sony für immer miteinander vermischt – zumindest in Diskographien, Katalogen und Suchmaschienen.

Aber das ist nicht wirklich eine schlimme Sache!? Ich hab die Solesides 10″, was eine wirklich gute “Compilation” ist! Und die kam auf Marlboro Music raus, was eigentlich keine Rolle spielt, weil die Musik großartig ist.

Nein, es ist nicht notwendigerweise eine schlechte Sache, daß wir einen Song auf Sony draußen haben. Besonders nicht wenn man die Nebeneinanderstellung betrachtet wie eine Major Media Monster betrachtet eine doppeldeutige Denkweise über John Walker Lindth (Anm. d. Red. Der “amerikanische Taliban”) freigibt, “the hip-hop patty hearst”. Es ist außerdem interessant betrachtet man das obskure, “low-print” Schicksal des Songs, auf das unser Songtitel hinweist: “Song for Patty” von Sammy Walker, ein Folk Sänger – ein Dylan Gehilfe und Phil Ochs Protégé.

Ihr seit auch in Japan auf der Record-Release -Party von Krush aufgetreten. Ich denke das war ein etwas anderes Publikum als bei einem Anticon “Solo”-Auftritt. Muß toll gewesen sein.

Ja, das war cool. Wir erzählten schlechte Witze zu einem ganzen Meer von Leuten, die kein Wort Englisch verstanden und auch kein Stück Reaktion zeigten. Es Hing diese “aren’t-these-so-funny-because-they’re-corny jokes” Atmosphäre in der Luft, mit einem schleichendem Nachhall und einem völlig stummen Publikum, das uns einfach anstarrte und auf die Beats wartete.

Haha, ok. Wie wichtig ist es für Dich, daß der Hörer versteht was Du sagst. Ich meine, Du macht Musik, und die Stimme oder der Rapflow eines Menschen kann auch als Instrument betrachtet werden, das den Ton in einem Song angibt. Und die Stimmung der Texte zeigt ein spezielles Gefühl durch die Art wie du rapst.

Gewöhnlich war es mir recht egal ob meine Texte verständlich waren. Ich hab immer sehr schnell gerappt und gefreestyled und ich war sehr inspiriert durch Vokalisten wie Annie Ross, Jon Hendricks und speziell Eddie Jefferson, der wohl die Verherrlichung der Stimme-als-Instrument ist. Aber was mich an Rap immer so beeindruckt hat war die extrem Wortgewandtheit, und mehr als alles andere wollte ich Ideen mitteilen. Und wenn der Hörer diese nicht vollständig erfassen kann ist es, weil er es nicht wirklich versucht. Wie David Berman mal sang: “Now that I’m older, and subspace is colder,/ I just want to say something true.”

Ok, nettes Interview. Danke.